• Als Parkanlage im nördlichen Auenwald bin ich, das Rosental, Leipzigern und ihren Gästen seit bald tausend Jahren bekannt. Suchen Spazierende mich auf, passieren sie zuvor Straßen, Orte und Gebäude, die an Kunstschaffende vergangener Zeiten wie Tschaikowski, Nietzsche oder Beckmann erinnern. Doch wie sieht es mit zeitgenössischen Kreativen aus, die sich hier in meiner Nähe angesiedelt haben und mit ihren Kunstwerken das großstädtische Leben prägen?

    Signalstoerung, als interdisziplinärer Künstler in den Bereichen Musik, Kunst und Design und auch unter dem Pseudonym Hendekagon bist du vielen Menschen weltweit bekannt. Was deine Werke, also deine Kunst und deine Musik, maßgeblich kennzeichnet, sind eine grundsätzliche kreative Schlichtheit gepaart mit einem gewissen Twist oder einem Extra, das stets besonders, einzigartig oder außergewöhnlich ist. Meine erste Frage lautet also: Wie bist du denn zum Minimalismus gekommen?

    Da bin ich mir nicht so sicher. Ich habe schon immer sehr minimalistisch gelebt, abgesehen von meiner großen Musiksammlung. Und ich habe es schon immer gemocht, wenn jemand mit wenig viel ausdrücken kann, ob nun in der Malerei, Fotografie oder auch in der Musik. Bewusst ins Leben integriert habe ich den Minimalismus aber erst seit vielleicht zehn Jahren.

    Was genau gefällt dir so an dieser Kunstgattung?

    Wie gesagt, ich bewundere es sehr, wenn es Künstler schaffen, mit einem reduzierten Ansatz Großes auszudrücken beziehungsweise Emotionen zu erzeugen oder die Sache auf den Punkt zu bringen.

    Magst du auch deshalb in der Musik Ambient und Drone so gern?

    Ja, vielleicht. Obwohl ich auch Musik in vielen anderen Genres höre, die sehr minimalistisch ist. Ich glaube, das bezieht sich nicht auf einen bestimmten Stil.

    Was war, sofern du dich erinnern kannst, deine erste Begegnung mit Musik?

    Das weiß ich auch nicht so genau. Ich habe schon als kleines Kind neben dem Tonbandgerät meines Vaters gestanden und meine Lieblingslieder mitgesungen. Mit zwölf oder dreizehn habe ich bereits angefangen, Musik zu sammeln beziehungsweise mit Freunden zu tauschen.

    Und wie ging es dann weiter?

    Mit vierzehn/fünfzehn habe ich dann als DJ auf Schuldiscos aufgelegt und später dann in richtigen Clubs. Auch wenn ich schon als Teenager mit eigenem Keyboard oder gemeinsam mit Freunden den Traum von einer Band hatte, habe ich doch recht spät erst mit dem Komponieren eigener Tracks begonnen.

    Nun bist du auch Label-Inhaber und organisierst Events: Was reizt dich am künstlerischen Schaffensprozess am meisten?

    Am meisten gefällt mir der Austausch mit anderen Künstlern beziehungsweise das Kollaborieren, daher kam dann schnell zum eigenen Auflegen das Organisieren von Events/Ausstellungen und später dann Adventurous Music als Label dazu.

    Ich sehe dich oft in meinem Auwald spazieren, einen Kaffee am mobilen Stand oder die Sonne am Zooschaufenster genießen: Hast du das Gefühl, dass meine Flure dich kreativ prägen?

    Ob mich das kreativ prägt, weiß ich nicht. Auf jeden Fall ist das Rosental aber ein Ort, an dem man gut entspannen kann und in dem aber auch manchmal neue (künstlerische) Ideen entstehen.

    Hast du in deiner Musik auch schon mal Field Recordings aus meiner Fauna und Flora verwendet? Wenn ja, welche waren das?

    Nein, bisher noch nicht.

    Was würdest du gern einmal mit mir gemeinsam erleben wollen?

    Ein Open-Air mit experimenteller Musik, das die Umgebungsgeräusche mit einbindet.

    Signalstoerung, hab tausend Dank! Sag mir bitte nur noch: Wo können Interessierte deine Werke entdecken?

    Auf Instagram: @signalstoerung.official.


  • Als Parkanlage im nördlichen Auenwald bin ich, das Rosental, Leipzigern und ihren Gästen seit bald tausend Jahren bekannt. Suchen Spazierende mich auf, passieren sie zuvor Straßen, Orte und Gebäude, die an Kunstschaffende vergangener Zeiten wie Tschaikowski, Nietzsche oder Beckmann erinnern. Doch wie sieht es mit zeitgenössischen Kreativen aus, die sich hier in meiner Nähe angesiedelt haben und mit ihren Kunstwerken das großstädtische Leben prägen?

    Liebe Anna, da ich dich schon sehr lange kenne, weiß ich, dass du in vielen kreativen Dingen sehr talentiert bist. Aber die meisten Leipziger kennen dich wahrscheinlich vor allem als mixed-abled Tänzerin und Projektleiterin des Tanzlabor Leipzig, das im soziokulturellen Zentrum Die VILLA ansässig ist. Daher würde ich gern zuerst wissen: Wie bist du denn zum Tanzen gekommen?

    Liebes Rosental, ja wir kennen uns schon eine Weile, als gebürtige Leipzigerin habe ich dich schon oft besucht, wohne inzwischen auch ganz in deiner Nähe. Immer begrüßt du mich mit viel Wind und Bewegung, wie auch beim Tanzen. Zum Tanzen bin ich tatsächlich durch die VILLA gekommen, ich war immer mal mit der Jugendgruppe „Rollingcats“ dort, eine Gruppe aus behinderten Jugendlichen, welche sich häufig in der VILLA zu Freizeitaktivitäten traf. Wir wurden eines Tages von der Leipziger Choreografin Heike Hennig angesprochen und spontan zu ihrer Tanzprobe eingeladen. Und was soll ich sagen, seitdem haben wir nicht mehr aufgehört zu tanzen. Später sind dann Strukturen dazu gekommen, so dass es jetzt das Tanzlabor Leipzig als ein Projekt der VILLA gGmbH gibt. Aus den Jugendlichen sind inzwischen Erwachsene geworden und zwei von der damaligen Gruppe, Katja und ich, sind immer noch eng mit dem Tanz verbunden.

    Wenn du an deine Tanzanfänge zurückdenkst, die ja nun schon bald zwanzig Jahre zurückliegen: Was hat dich damals besonders am Tanzen fasziniert und was davon ist bis heute geblieben?

    Besonders fasziniert mich, was Tanz alles sein kann und dass jeder Mensch tanzen kann. Es gibt in unserer Gesellschaft Ideale, wie ein Körper auszusehen hat und welche Körper gut tanzen können. Auch wenn ich bereits als kleines Kind gerne getanzt habe, so war mir immer bewusst, dass ich mit meinem Körper und meiner Bewegung nicht diesen Idealen entspreche. Durch den Zeitgenössischen Tanz konnte ich mich ein Stück von diesen verkrusteten Idealvorstellungen lösen und neue Ideale entdecken. Ich konnte die Schönheit meiner Bewegung erkennen. Konnte erkennen, dass auch kleine Bewegungen viel Ausdruck haben. Konnte erkennen, dass jeder Körper sich anders bewegt und welche Schönheit in den vielen individuellen Bewegungen steckt.

    Erlebt man dich auf der Bühne, wie erst kürzlich im Stück The Person I Am, dann scheinen sich für den Betrachtenden die Grenzen zwischen Tanz als Sport, als Kunstform, als soziale Interaktion und als Ausdruck von Gefühlen zu vermischen. Welchen dieser Aspekte magst du denn besonders gern und warum?

    Das ist das Schöne am Tanz, er kann alles sein. Sport, Kunst, Interaktion oder Gefühlsausdruck. Und alles funktioniert zusammen und fügt sich zueinander. Ich bin immer wieder fasziniert, wie wir durch Tanz miteinander kommunizieren können und wie schnell dort auch eine tiefere Ebene der Interaktion erreicht werden kann. Tanz ist eine Form, wie wir ein bisschen von uns anderen zeigen können und so kommen wir in Kontakt und in Verbindung, auch ohne Worte.

    Inmitten meiner Natur sehe ich täglich viele Menschen. Die meisten von ihnen sind ständig in Bewegung, sie spazieren, joggen oder fahren Rad. Andere wiederum sitzen auf der Wiese, hüpfen über Baumstämme oder erklimmen Klettergerüste. Aber nur sehr selten habe ich hier bisher Menschen tanzen sehen. Wie ist das bei dir? Tanzt du lieber in einem Saal oder unter freiem Himmel?

    Aus Gründen der Barrierefreiheit bevorzuge ich meistens den Tanzsaal. Ich sitze im Rollstuhl und habe wenig Muskelkraft, da bieten gerade Flächen für mich mehr Potential für die Bewegung im Raum. Vom Tanzlabor Leipzig haben jedoch schon einige auch im Rosental getanzt. Mir fällt da direkt das interkulturelle Kinderfest der VILLA bei dir, liebes Rosental, ein, bei dem das Tanzlabor Leipzig die letzten Jahre immer einen kleinen Auftritt hatte. Auf Tanzmatten haben unsere Tänzer:innen vor großen Kinderaugen getanzt.

    In der Filmproduktion Wood – Water – Stone hast du dich sehr eindrucksvoll tänzerisch mit einem Baum verbunden. Kannst du dir vorstellen, irgendwann einmal irgendwo in meinem Teil des Auenwaldes zu performen? Und wenn ja, was wären dann deine Wunschkulisse und die Musik oder Sounds deiner Wahl?

    Ja, ich kann mir das sehr gut vorstellen. Ich bin ein klassisches Stadtkind, liebe Häuser, Stadtgeräusche und das Treiben der großen City. Die Filmproduktion WOOD – WATER – STONE hat mich dazu gebracht, mich einmal intensiv mit Bäumen auseinander zu setzen. In den Proben bestand meine Aufgabe darin, einen Baum auf mich wirken zu lassen und zu schauen, was es mit mir macht. Das klingt banal, aber so intensiv habe ich noch nie einen Baum angeschaut, so intensiv habe ich noch nie versucht, die Struktur, den Charakter, das Wesen eines Baumes zu verstehen. Ich habe für mich einen Weg über Bewegungen gefunden, wie ich mit dem Baum kommuniziere, wie wir für einen kurzen Moment in Interaktion kommen. Das hat mich sehr beeindruckt und ich bin seitdem neugierig auf Bäume, auf Wiesen, Blumen und Gräser. Liebes Rosental, gerne würde ich auch mit dir so in Interaktion kommen. An deinen hellen und deinen dunklen Orten möchte ich sein. Den Sound, den bringst vielleicht du selbst?

    Die Stilrichtung, in der du dich tänzerisch bewegst, ist der Zeitgenössische Tanz, aber die Musik, die dich live oder im Film begleitet, entstammt ganz unterschiedlichen Genres. Hast du dennoch für die akustische Untermalung deiner Kunst eine bestimmte Präferenz?

    Ich mag es beim Zeitgenössischen Tanz, dass alles an Sound und Musik möglich ist. Natürlich tanzt wohl jeder gerne zu Lieblingsmusik, aber wirklich spannend finde ich es, wenn Musik und Sound eigentlich gar nicht meinem Genre entsprechen und ich dennoch Bewegungen finde. Und dann gibt es beim Zeitgenössischen Tanz noch eine Besonderheit, die Stille. Es braucht nicht immer Musik für Bewegung, Tanz funktioniert auch ohne Musik.

    Ich weiß, dass du inzwischen selbst Tanzanleiterin bist, Tanzanleitende ausbildest und als Botschafterin für inklusiven Tanz Vorträge hältst. Hast du das Gefühl, dass Inklusion und inklusive Angebote inzwischen von Entscheidungsträgern gut unterstützt und gefördert werden?

    Inklusion ist gerade ein beliebtes Thema. Es gibt viele inklusive Projekte und Fördermöglichkeiten. Es ist jedoch inzwischen an der Zeit, einmal darüber nachzudenken, wie Inklusion aussehen kann und sinnvoll gelebt werden kann. Oftmals sind behinderte Menschen „nur“ die Teilnehmenden an Projekten, für nachhaltigere Projekte braucht es unbedingt behinderte Menschen auch in anderen Rollen. Beim Tanzlabor Leipzig versuchen wir das durch die Ausbildung zur Tanzanleiter:in für Freies Tanzen und durch unsere mixed-abled Arbeitsweise. Behinderte Menschen kommen so in andere Rollen und sind Teilnehmende, aber auch Gestaltende, Anleitende und Organisierende. Inklusion hört nicht bei der Teilnahme auf, sondern geht darüber hinaus. Ich wünsche mir, dass Entscheidungsträger:innen und Förderprojekte diesen Punkt noch mehr berücksichtigen.

    Was wünschst du dir konkret für deine weitere Entwicklung im Tanz und für die des Tanzlabor Leipzig?

    Für das Tanzlabor Leipzig wünsche ich mir noch viele weitere Jahre und viele Menschen, die durch Tanz berührt werden. Ich persönlich bin gespannt, wie mein Weg mit Tanz weitergeht. Gerne möchte ich weiterhin kleine künstlerische Projekte gestalten und weiter tanzen.

    Wenn nun Menschen Lust aufs freie und inklusive Tanzen bekommen haben, was können sie tun? Nimmt das Tanzlabor Leipzig noch neue Tanzbegeisterte auf?

    Das Tanzlabor Leipzig ist eine offene mixed-abled Tanzkompanie. Wer Lust hat, der kann einfach gerne dazukommen. Am besten können Interessierte das Tanzlabor Leipzig beim Freien Tanzen kennenlernen. Zwei Mal bieten wir das Freie Tanzen im Monat an, es ist kostenlos und ohne vorherige Anmeldung besuchbar. Tanzanleiter:innen, das sind Choreografen/professionelle Tänzer:innen/Tanzpädagog:innen oder Absolventen der Tanzanleiterausbildung, leiten das Freie Tanzen für zwei Stunden an, Menschen mit und ohne Behinderung tanzen gemeinsam und lernen ihre unterschiedlichen Bewegungsqualitäten kennen. Die aktuellen Termine stehen auf unserer Webseite www.tanzlabor-leipzig.de.

    Liebe Anna, meine letzte Frage: Möchte man mit dir in Kontakt treten, wie oder wo wäre das möglich?

    Schreibt dazu gerne das Tanzlabor Leipzig an unter kontakt@tanzlabor-leipzig.de oder direkt mich unter Anna.Mueller@villa-leipzig.de. Vielleicht treffen wir uns auch einfach mal im Rosental. 😉

    Recht herzlichen Dank!

    PS: Auf dem Foto von René Schindler ist Anna (rechts im Bild) mit Pernille Sonne im Stück The Person I Am zu sehen.


  • Als Parkanlage im nördlichen Auenwald bin ich, das Rosental, Leipzigern und ihren Gästen seit bald tausend Jahren bekannt. Suchen Spazierende mich auf, passieren sie zuvor Straßen, Orte und Gebäude, die an Kunstschaffende vergangener Zeiten wie Tschaikowski, Nietzsche oder Beckmann erinnern. Doch wie sieht es mit zeitgenössischen Kreativen aus, die sich hier in meiner Nähe angesiedelt haben und mit ihren Kunstwerken das großstädtische Leben prägen?

    Lieber Stephan, unter dem Pseudonym Wilhelm Schroeder bist du musikbegeisterten Menschen bekannt, denn deine Fotografien haben bereits ein Cover geschmückt und erst kürzlich auch den Release von Oberlins Album Cold Harbour visuell bereichert. Wie ist es denn dazu gekommen?

    Das erste Mal war für einen Freund, der hatte eine Leipziger Metal-Band und folgte mir auf Facebook. Sie hatten gerade ein neues Album gemacht und er hatte halt einfach gefragt, ob ich Lust habe, ein paar Bilder beizutragen – beziehungsweise, ob er meine Bilder verwenden darf. Und beim zweiten Mal war es die Metal-Band eines Kollegen von mir. Genau dasselbe Prinzip. Damals bin ich halt viel – Wie sagt man dazu? Urban Exploring? – in alte, abgerissene Gebäude und habe dort etwas düstere Fotos gemacht und sie dann hier und da noch ein bisschen bearbeitet. Viele sind auch arg verfremdet. Aber wenn man weiß, dass es meine sind, dann sieht man das schon. Man erkennt meine Bilder.

    Auf dem einen CD-Cover ist eine Laterne und auf dem anderen?

    Das ist auch stark verfremdet und wurde von jemand anders dann nochmal bearbeitet. Da ist eine Treppe auf dem Cover. Die übrigen Bilder sind dann im CD-Booklet. Und bei den Postkarten für Oberlin hat es auch thematisch gut gepasst mit Cold Harbour.

    Wie bist du aber überhaupt zur Fotografie gekommen?

    Das ist schon viele Jahre her und war auf einer Klassenfahrt. Da hatten wir einen Sozialarbeiter mit, der uns da immer ein bisschen bespaßt hat. Danach habe ich in der Schule auch Fotokurse gemacht. Da konnten wir uns Kameras ausleihen. Das hat mir damals übelst viel Spaß bereitet. Dann hatte ich so eine ganz kleine Filmkamera und habe da immer ein paar Bilder gemacht. Irgendwann habe ich dann mal – ich glaube auch gebraucht – eine Spiegelreflexkamera gekauft. Also, es ging eigentlich in der Schule los, dass da die Lust kam, zu fotografieren. Ich fand das immer ganz interessant, irgendwelche Bilder einzufangen.

    Hat man euch in der Schule einfach ausprobieren lassen oder war da jemand, der das begleitet hat?

    Nein, die haben uns zuerst ausprobieren lassen. Das ging auch nicht lange, wenn ich mich recht entsinne. Die haben uns hier und da noch ein paar Tipps gegeben und ein paar Tricks gezeigt, aber viel ging dann halt auch wirklich darüber, dass man es mal nachgelesen und sich irgendwelche Fotokursbücher gekauft hat. Also, es war so ein schleichender Prozess.

    Und was hat dich dann dazu gebracht, jetzt fast nur noch mit dem Smartphone Bilder zu machen?

    Ich habe es halt immer dabei. Ich gehe heute gar nicht mehr ohne Smartphone aus dem Haus. Es ist dadurch so einfach geworden, und mittlerweile ist ja auch die Bildqualität super. Man kann auch große Ausdrucke von diesen Aufnahmen machen, und die Qualität wird immer besser. Und ich muss auch sagen: Es ist die Bequemlichkeit, denn ich habe keine Lust, jedes Mal eine ganze Fotoausrüstung mitzunehmen. Früher war es so, da war ich mit ein paar Freunden fotografieren, da hatte man immer einen riesigen Rucksack dabei und ein Stativ, eine große Kamera, zwei, drei Objektive. Diese Bilder sind qualitativ, wenn man ganz genau hinschaut und ranzoomt, natürlich schon etwas besser. Aber für kleinere Ausdrucke, Bücher oder diese Postkarten ist ein Smartphone mehr als ausreichend.

    Wenn du da mit Freunden unterwegs warst: Was habt ihr fotografiert?

    Das war unterschiedlich. Also, wir hatten da eigentlich auch nie irgendein Ziel. Was damals immer sehr angesagt war, war halt, in irgendwelche verlassenen Gebäude oder auf Industriegelände zu gehen, dort ein bisschen herumzuspazieren und einfach mal zu gucken, was man findet und ob es irgendwelche coolen Einstellungen an der Kamera gibt, die man machen kann. Oder wenn das Licht in so eine große Halle fällt: Wie sieht das aus, wenn man das fotografiert? Wir hatten da nie irgendwelche großen Pläne, wir wollten hier und da mal was ausprobieren, mal eine Langzeitbelichtung oder einfach mal so ein bisschen herumexperimentieren.

    Und dann hatte jeder von euch so eine komplette Ausrüstung?

    Ja.

    Das war also schon ein richtiges Hobby, nicht nur mal ein gelegentlicher Schnappschuss hier und da?

    Nein, wir haben uns schon recht regelmäßig getroffen, je nachdem, wie wir arbeiten mussten. Manchmal haben wir auch einfach nur die Bilder bearbeitet mit Photoshop oder neuen Tools, die es so gab.

    Aber du hattest bisher keine Lust, dem professionell nachzugehen?

    Nein. Wäre das mein Beruf, würde ich sehr schnell das Interesse daran verlieren.

    Trotz des positiven Feedbacks?

    Ja. Ich mache es hauptsächlich für mich und nicht, um Geld damit zu verdienen. Auch bei den Veröffentlichungen mit den Bands war das so, da habe ich mal die Promo-CD bekommen oder so. Ich fand das halt einfach eine nette Geste, für die Leute etwas zu machen. Und wenn es denen gefällt und die sagen, wir haben Bock, das bei uns aufs Plattencover zu bringen, dann freut mich das auch immer. Schon damals als Jugendlicher. Meine Bilder Künstlern anzubieten, finde ich immer eine gute Sache. Aber verkaufen möchte ich sie nicht.

    Was löst bei dir eigentlich den Impuls aus, eine Aufnahme zu machen?

    Es kommt streckenweise gar nicht so sehr auf das Motiv an. Wenn ich das Objekt oder das Motiv jetzt gerade in dem Moment interessant finde, ob es jetzt eine Landschaft ist, der Lichteinfall oder ob es irgendwas ganz Banales ist wie ein cooler Sticker, den ich irgendwo sehe, oder ein Graffito: Es muss mich halt catchen. Also, ich muss vorbeigehen, gucken und denken: Das ist schon irgendwie interessant. Es muss halt irgendwas haben: ob es das Licht ist, das Motiv an sich, irgendein cooles Statement oder einfach nur ein schöner Ort. Also, man kann ja auch ein Foto machen, weil es halt einfach nur ein absolut schönes Motiv ist.

    Du denkst, also nicht: Das passt in die Sammlung, die ich schon habe, sondern es ist immer so, dass du merkst, das spricht dich jetzt rein emotional an?

    Genau. Wie das Bild mit dem iRonny-Sticker. Das hat gepasst. Ronny. Irony. Ich fand das halt passend. Manchmal ist es auch einfach nur eine schöne Momentaufnahme. Also, ich gehe beim Fotografieren nicht so ran: Das muss ich jetzt so machen, das muss ich beachten, nicht zu sehr unterbelichten, nicht zu sehr überbelichten. Ich experimentiere einfach, bis es mir gefällt.

    Experimentierst du, bevor du das Foto machst, oder im Nachgang?

    Nein, auch schon während der Aufnahme. Also, ich mache meistens mehrere Bilder. Und dann schaue ich halt. Manchmal gehe ich dann näher ran oder weiter weg, vielleicht hier und da ein bisschen unter- oder überbelichten. Das mache ich dann so in dem Moment, also wie es mir gerade gefällt.

    Und dann machst du das mit den normalen Einstellungen vom Smartphone oder hast du noch verschiedene Apps?

    Ich mache es eigentlich meistens nur mit den bereits vorhandenen Apps vom iPhone. Das geht am schnellsten. Es gibt noch Freeware, die ich gerne nutze. Ich habe mal eine ganze Zeitlang Photoshop genommen, das finde ich bei Portraits immer ganz angenehm. Aber bei Landschaften ziehe ich vielleicht hier und da nur mal ein bisschen die Farbe hoch. Aber sonst finde ich: Zu viel sollte man auch nicht machen. Vielleicht einfach mal ein bisschen die Wärme ändern von dem Bild. Aber komplette Retuschen, wie ich sie früher mal gemacht habe, die finde ich jetzt gar nicht mehr so interessant – außer bei mir selbst vielleicht, bei den Falten (lacht).

    Folgt man dir in den Sozialen Netzwerken, so kann man eine bunte Mischung an Motiven entdecken: Reisefotos, Portraits und Tierbilder kommen häufig vor, aber auch Streetart und skurrile Dinge sind dabei. Was veranlasst dich, genau diese Sachen aufzunehmen und dann zu posten?

    Das sind eigentlich alles Momentaufnahmen, wie beispielsweise die im Vatikanmuseum: Da war eine Scheibe kaputt und durch sie konnte man gut den Petersdom sehen. Das fand ich ein absolut tolles Bild. Oder auf dem Weg in einen Technoclub, da habe ich das Graffito gesehen: Wann 9 Euro Ticket für Technoclubs? Das fand ich ein cooles Statement. Das sind eigentlich fast ausschließlich Momentaufnahmen. Also, auch die Portraits sind mehr oder weniger … (lacht) Momentaufnahmen. Oder das Bild aus Manchester mit dem quadratischen Zaunelement. Da war ich auf einer alten Brücke und da sind Züge vorbeigefahren. Das fand ich total interessant. Da habe ich auch ein bisschen experimentiert, etwas Licht, ein bisschen Überbelichtung und Bewegungsunschärfe hineingebracht.

    Warum bearbeitest du eigentlich die Bilder? Du könntest sie doch auch einfach so posten.

    Das hat für mich einfach ästhetische Gründe. Ich finde, manche Bilder sehen beispielsweise schwarz-weiß interessanter aus. Oder ich mache noch eine Vignette drum, um den Blick noch ein bisschen mehr auf das Objekt zu richten. Das gefällt mir einfach besser.

    Selten haben deine Bilder einen begleitenden Text dazu, meist lässt du sie ganz allein für sich sprechen. Wie kommt es, dass du nie etwas zu ihnen schreibst?

    Ich mache die Bilder ja für mich. Ich weiß ja, wo ich in dem Moment war. Das sind halt einfach schöne Momente, die ich für mich persönlich festgehalten habe.

    Du bist ein an sich sehr aktiver Fotograf, aber im Vergleich dazu veröffentlichst du nur wenige der gemachten Aufnahmen. Was passiert mit allen anderen Bildern?

    Ich habe eine Cloud dafür, und in regelmäßigen Abständen schaue ich immer mal alle Jahre durch und gucke, was ich da gemacht habe. Vielleicht finde ich mal noch ein schönes Bild. Ich finde das auch immer lustig, wenn ich dann mal schaue, was ich vor zehn Jahren gemacht habe und wo ich war. Das sind so schöne Momente. Ich schaue mir die gerne an. Von vielen Bildern, die ich da mehrfach habe und mit denen ich experimentiert habe, behalte ich oftmals auch nur das, das mir am besten gefällt – und dann auch auf Anhieb am besten gefällt. Der Rest wird relativ schnell gelöscht, einfach um nicht so viel Datenmüll zu haben.

    Hast du klassische Fotobücher oder anderweitig physische Fotoalben?

    Nein. Das ist ja das Schöne heutzutage. Das passiert ja alles automatisch, wenn man es in der Cloud hat: Das habe ich am zehnten Mai zweitausenddreizehn gemacht. Oder: Hier, dein Rückblick Juni soundso.

    Schaust du dir das dann auch mal großformatig auf dem TV an?

    Nein.

    Nun habe ich dich auch schon oft inmitten meiner Flure gesehen. Du bist mit Freunden entlang meiner Wiesen spaziert und hast Krähen und Spatzen Gutes getan. Wenn du fotografisch an mich, das Rosental, denkst, was kommt dir da zuerst in den Sinn?

    Dein kleiner See, der Froschteich am Wackelturm. Den finde ich toll. Da gibt es auch diesen einen Baumstamm. Dort finde ich es immer schön, und da bin ich dann manchmal, wenn ich mit dem Fahrrad fahre. Dann setze ich mich da hin, trinke mein Wasser oder rauche eine nebenbei. Dieser See, das Schwanenpaar, ich finde, das ist ein entspannter, ruhiger, schöner Ort.

    Welches Motiv würdest du grundsätzlich gern einmal fotografisch festhalten?

    Es gibt nichts, was ich jetzt unbedingt fotografieren muss. Aber es gibt so viele Motive, ob es jetzt Städte sind oder Gegenden … Aber ich habe da keinen Favorit.

    Wenn du sagst, Städte oder Gegenden, ist es dann grundsätzlich die Reisefotografie, die dich am meisten reizt?

    Ja, ich möchte meine Reisen fotografisch festhalten. Ich war auch schon an vielen Orten, aber spontan würde ich jetzt sagen: Ich würde gerne mal die Moai-Köpfe auf den Osterinseln fotografieren.

    Welches Foto in deinem Feed repräsentiert eine ganz besondere Situation?

    Ich schaue mir immer wieder gern meine Island-Bilder an oder die aus Israel. Ich habe fünf Favorits: Absolut beeindruckt war ich von Le Mont-Saint-Michel. Das ist ein ehemaliges Kloster in Frankreich, das auf einer kleinen Insel steht, wenn Flut ist. Ansonsten ist es von Watt umgeben. Und das sieht wie in die Landschaft retuschiert aus, wie aus Herr der Ringe. Da war ich richtig beeindruckt, das war richtig, richtig toll. Das ist schon gigantisch. Da habe ich mich schon wie in einem alten mittelalterlichen Film gefühlt. Ein weiterer Favorit ist die Grabeskirche in Jerusalem. Das ist total unscheinbar, ohne all die anderen Touristen wäre ich beinahe daran vorbeigelaufen. Aber innen ist da diese riesige Kuppel, sie wirkt wie eine kleine Kirche, wo man dann zum Grab kommen soll. Das fand ich total faszinierend. Ein weiteres Lieblingsbild ist das von den zwei Juden, die mit ihrem Rücken zu mir an der Klagemauer lehnen. Da ist der ultra-orthodoxe neben dem weniger orthodoxen Juden. Das war auch eine Momentaufnahme. Sehr schön fand ich auch Petra in Jordanien bei Nacht. Da war alles beleuchtet. Und eben Island: Dieses Licht, die Natur, das fand ich faszinierend.

    Lieber Stephan, zu guter Letzt: Möchten Interessierte deine Fotografien sehen oder gar Kontakt zu dir aufnehmen, wie wäre das möglich?

    Sie können mir auf Instagram @wilhelmschroeder folgen.

    Ganz lieben Dank!


  • Als Parkanlage im nördlichen Auenwald bin ich, das Rosental, Leipzigern und ihren Gästen seit bald tausend Jahren bekannt. Suchen Spazierende mich auf, passieren sie zuvor Straßen, Orte und Gebäude, die an Kunstschaffende vergangener Zeiten wie Tschaikowski, Nietzsche oder Beckmann erinnern. Doch wie sieht es mit zeitgenössischen Kreativen aus, die sich hier in meiner Nähe angesiedelt haben und mit ihren Kunstwerken das großstädtische Leben prägen?

    Lieber Walter, kannst du dich erinnern, wann du das erste Mal auf ein Ei gemalt hast?

    In den vierzig Jahren, in denen ich hier in Leipzig bin, habe ich jedes Jahr Eier bemalt. Und dieses Jahr war für mich der Höhepunkt, weil ich achtundzwanzig Eier bemalt habe. Ich habe die verschenkt, sogar an meine Ärzte. Und das Gute ist, dass mir sogar schon jemand rückgemeldet hat, dass sie genau das jetzt auch macht: Ostereier bemalen. Ja. Da habe ich mich so gefreut, dass das jetzt jemand schon nachmacht. Ihr und auch Bekannten aus der Nachbarschaft habe ich gesagt, dass man das mit Zuckerwasser machen muss. Und sie haben sich bedankt und sind jetzt meine Nachfolger. Und jedes Ei, das ich bemalt habe von den achtundzwanzig, ist anders. Das ist nicht immer dasselbe. Ich habe hier auch Eier, die sind schon zehn Jahre alt. Die sind hartgekocht und trocknen eigentlich aus, aber wenn sie muffeln, dann muss man sie wegtun. Aber ich habe noch keinen erlebt, der das berichtet hat. Das erste Mal habe ich hier in Leipzig auf ein Ei gemalt. Das war vor vierzig Jahren. Jetzt bin ich achtzig. Mit vierzig ungefähr habe ich damit angefangen. Zuvor habe ich Ostermotive von Karten abgemalt. Vielleicht sind es auch schon fünfundvierzig Jahre. Aber die Idee, die kam von mir damals. Ich habe früher angefangen, auf Gipsplatten zu malen. Und dann kam mit einem Mal die Idee: Walter, mache das mal mit Zuckerwasser.

    Wie bist du überhaupt auf die Idee gekommen, ein Ei zu bemalen?

    Das kann ich heute nicht mehr sagen. Vielleicht, weil ich zu Ostern überall und immer bunte Eier gesehen habe. Das war ähnlich wie der Beginn meiner Karriere als Maler. Ich dachte immer, ich muss auf Porzellan malen. Und dann bin ich zum Glas, dachte, ich muss das auf Glas übertragen. Und heute ist es so, dass ich als Künstler das erfunden habe. Ich habe auch die Sorben gesehen. Die machen das auch. Aber die machen Muster. Einmal habe ich deren Ausstellung auf dem Bahnhof gesehen. Da bin ich nach Hause gerannt und habe meine bemalten Eier geholt und die der hübschen Sorbin gezeigt. Als ich in der siebten Klasse war, habe ich mit Malen angefangen. Und jetzt, als Rentner, habe ich durch die Motivation meiner Tochter wieder Lust bekommen zu malen. Das geht richtig schön, ich bin da richtig ehrgeizig und denke oft: Ach, da hast du jetzt wieder was gemalt. Ich habe da keine Langeweile. Leute mit Humor und Fantasie langweilen sich nie. Und jetzt schreibe ich auch Gedichte dazu. Doch meine Liebe ist das Malen. Wenn nicht Ostern ist, male ich keine kleinen Sachen. Dann male ich am liebsten auf einen großen Zeichenblock. Ich habe sogar noch meine Zeichnungen aus der Schulzeit und Lehre. Damals gab es die Zeitschrift Fröhlich sein und singen. Die war für uns Kinder. Aus der habe ich immer abgemalt. Und heute, mit achtzig, male ich nun so gut – fast, wie ich finde, noch besser als früher. Ich übertrage das jetzt, wenn das so groß ist, auf ein kleines Ei. Ich probiere das einfach. So kann man das machen. Und dann beschrifte ich das auch. Diese Schrift mit ihren Wellen, das liegt mir sehr und wohnt mir inne. Ich male aber auch von hier aus draußen die Gebäude. Ich werde auch mal versuchen, wenn es dann draußen schön ist, dass ich direkt draußen in ein Skizzenbuch male. Und das sind alles dann Ideen in diese Richtung. Ich habe auch schon mal mit Öl gemalt und möchte das gern nochmal versuchen. Und sollte es mir gelingen, dann kann ich auch Ölbilder malen. Oftmals male ich aber gar nicht mehr mit dem Bleistift vor, sondern nehme gleich die Farbe. Ich mache das immer mit dem Gedanken, dass ich das ja für mich tue. Es ist ja meine Freude, und die merke ich auch. Und wenn ich jemandem ein von mir bemaltes Osterei schenke, dann sehe ich, dass der sich freut.

    Was gefällt dir so an Aquarellmalerei?

    Aquarellmalerei ist so ähnlich wie Unterglasurmalerei. Ein Beispiel ist Zwiebelmuster. Das ist dann auf dem Scherben, bevor die Glasur draufkommt. Ich habe aber auch schon viel mit Bleistift gemalt, zum Beispiel Portraits. Meine Vorbilder sind Rembrandt und Rubens. Mir gefällt es, wenn man auf den Bildern etwas erkennen kann – ohne Bildunterschrift, wie das bei den modernen Künstlern oft der Fall ist. Ich mag lebendige Darstellungen. Und so sind auch die Motive auf meinen Ostereiern. Wenn das mit den Tieren darauf nicht geklappt hätte, dann hätte ich Pflanzen und Blumen gemalt. Das habe ich auch schon mal ausprobiert.

    Und warum malst du so gerne Pflanzen und Tiere?

    Ich will die Motive wiedergeben, wie ich sie in meiner Lehre gelernt habe. Deswegen nehme ich auch warme Farben. Drei Jahre habe ich gelernt. In der siebten Klasse habe ich angefangen, als ich gefragt wurde, welchen Beruf ich mal ausüben möchte. Noch in der Schule habe ich für die Wandzeitung gemalt. Das war ein Starkasten.

    Du hast also schon immer Naturmotive gemalt?

    Ich habe auch Abbildungen aus Brehms Tierleben abgemalt. Zuerst einen Hirsch. Später habe ich andere Tiere gemalt wie den Königstiger. Oder den Tiger und das Reh auf meinem Gesellenstück. Wir mussten auf Papier und Porzellan malen. Das wurde dann bewertet. Als Porzellanmaler habe ich praktisch und theoretisch meinen Facharbeiter gemacht. Das habe ich meinen Eltern zu verdanken. Sie haben mir die Möglichkeit gegeben, diese Lehre zu machen. Ich habe drei Jahre gelernt. Und dann war ich so stolz drauf, als ich meinen Eltern mein erstes selbstverdientes Geld geben konnte. In meiner Lehre habe ich gelernt, was man alles braucht und worauf es ankommt. Das steht auch alles in meinen Berichtsheften, die ich immer noch habe. Genau wie die guten Pinsel, die Spezialpinsel aus sibirischem Eichhörnchen, die wir damals bekommen haben, sodass wir auf Porzellan malen konnten.

    Was würdest du im Waldstraßenviertel gerne mal mit dem Pinsel festhalten?

    Ich werde es vielleicht versuchen, mich auf eine Bank zu setzen und von da aus Dinge zu malen, die ich sehe. So, wie ich sie sehe. Zum Beispiel die Blechbüchse. Oder ich lasse es auf mich zukommen. Vielleicht male ich im Rosental auch mal den Reiher. Ich habe den hier vom Fenster aus schon mal gemalt. Mal sehen, was ich dann dort sehe. Dort sind ja auch die Giraffen und andere Tiere. Da werde ich aber höchstwahrscheinlich vom Zoo nichts malen – aus dem Grunde, weil die Tiere im Käfig sind.

    Gibt es darüber hinaus etwas, das du gerne einmal malen würdest?

    Ja. Für mich sind es Bilder wie die der großen Künstler, die früher die Prinzen gemalt haben. Deswegen bin ich auch gern in Museen gegangen, zum Beispiel in die Heidecksburg. Heute bringen sie das im Fernsehen. Da habe ich auch schon mal überlegt: Die Bilder, die sehe ich lange. Jetzt muss ich vielleicht ein bisschen trainieren, dass ich schneller mit Bleistift male, so wie ich früher auch Stars wie Brigitte Bardot und andere abgezeichnet habe. Dann zeichne ich die ab und sehe die Ewigkeit. Ich habe ja auch schon mein Eigenbild gemalt. Das ist für mich das Größte.

    Hast du für jemand, der jetzt mit Aquarellmalerei anfangen möchte, einen Tipp?

    Wenn er mich fragt: ja.

    Und sagst du ihn auch mir?

    Wenn man mich konkret fragt, wie ich was gemalt habe, dann kann ich das sagen. Aber ein ganz allgemeiner Tipp ist: Wenn man Lust hat, dann soll man malen. Das geht von einem selbst aus. Und wenn man dann das Selbstgemalte sieht, dann ist man auch motiviert, weiter zu malen. Die Lust kommt auch durch das Malen selbst. Mein Meister Harry Seitz bei Schlegelmilch hat immer gesagt: Du kannst nur das malen, was du auch siehst. Wir haben mit einem Grashalm angefangen und ein Jahr lang nur auf einen Zeichenblock gemalt. Danach hat der Meister gesagt: Ja, du kannst hier anfangen und deine Lehre hier machen.

    Man kann also nur malen, was man sieht?

    Ja. Oder man malt noch aus der Fantasie dieses und jenes dazu. Das Grundwissen habe ich von meinem Lehrmeister bekommen. Ich male auch von Kalendern ab, zum Beispiel die Vögel. Und dann freue ich mich auch über den Kalender, in dem meine eigenen Zeichnungen abgebildet sind. Wie schön der gedruckt ist, da freut sich das Herz. Aber manches bleibt auch unvollendet. Das habe ich dann so gelassen. Manchmal sehe ich Bilder, die sind mit Öl gemalt, aber die sind nicht so lebhaft. Das Bild muss lebhaft sein, es muss Wärme rüberkommen. Das geht mit Orange, Gelb, auch mal Hellblau. Das sind die Farben, die Wärme ausstrahlen.  

    Wo kann man deine Kunst sehen?

    Meine Kunst kann man hier bei mir sehen. Wenn man mich fragt und ich gut drauf bin.

    Lieber Walter, hab recht herzlichen Dank.


  • Als Parkanlage im nördlichen Auenwald bin ich, das Rosental, Leipzigern und ihren Gästen seit bald tausend Jahren bekannt. Suchen Spazierende mich auf, passieren sie zuvor Straßen, Orte und Gebäude, die an Kunstschaffende vergangener Zeiten wie Tschaikowski, Nietzsche oder Beckmann erinnern. Doch wie sieht es mit zeitgenössischen Kreativen aus, die sich hier in meiner Nähe angesiedelt haben und mit ihren Kunstwerken das großstädtische Leben prägen?

    Lieber Dierk, ich erinnere mich, dass du als Kind vor meinen Toren auf dem Livia-Platz gespielt hast und dass du schon immer in Gohlis-Süd wohnen wolltest. Was reizt dich denn so an der Nähe zu mir?  

    Ich fand diese ganze Gegend schon immer sehr schön. Ich finde es hier sehr gemütlich, sehr angenehm. Und deshalb wollte ich immer hier hin. Und weil ich hier gespielt habe und weil da Erinnerungen sind, um den Waldplatz herum. Als Kinder haben wir am Grillplatz im Rosental gespielt, haben mit Pfeil und Bogen geschossen, Lagerfeuer gemacht. Wir sind mit dem Fahrrad viel rumgefahren, auch hier durch das Rosental. Als Zehnjähriger haben mein Freund und ich hier auch mal zwei Mädels kennengelernt und wir haben sie oder sie auch mal uns durchs Rosental gejagt.

    Und wie bist du dann zur Fotografie gekommen?

    Ich habe als Kind immer gerne fotografiert und habe mich immer riesig gefreut, wenn ich die Bilder abholen konnte. Ich habe die dann also zum Entwickeln gebracht, und dann habe ich immer die Tage gezählt, bis ich die Bilder abholen konnte. Ich hatte auch eine eigene Kamera. Ich weiß aber nicht mehr, wie die hieß, aber es war eine schwarze, da musste man auch noch den Film selber drehen. Danach kam die Beirette. Das war so eine richtig alte mit Leder drum herum. Ich fand das beim Fotografieren immer ganz spannend, was da am Ende rauskommt. Aber es war nicht so, dass ich besondere Ahnung gehabt hätte, sondern ich habe einfach das fotografiert, was mir gefallen hat. Ich wollte einfach bloß wissen: Was kommt da raus? Wie sieht das aus? Ich habe auch mal gemalt, das fand ich auch total spannend, habe ich aber nie so richtig gut hingekriegt. Aber ich habe oft im Clara-Zetkin-Park gesessen und den Teich gemalt oder die Bäume. Ich habe das gemalt, um danach zu sehen, wie es wirkt.

    Und mit welchen Materialien hast du gemalt?

    Mit Bleistift. Ein Freund, der jetzt ein großer Künstler ist, hatte mir das mal beigebracht. Das fand ich interessant und auch beruhigend. Deshalb habe ich das ab und zu mal gemacht. Aber wie das immer so ist: Ich habe da nie große Ambitionen gehabt, das weiterzuentwickeln, aber ich fand das interessant und schön.  

    Wie bist du dann wieder zurück zur Fotografie gekommen? Was hat da den Anstoß gegeben?

    Nach einer Knie-OP habe ich bei der Reha am Waldplatz einen Fotografen kennengelernt. Er erzählte, dass er immer Fotos von Leipzig mache und dass er gerne mal einen Kalender herausbringen würde. Ich sagte ihm, dass ich gestalten und drucken kann. Schließlich habe ich zwei Jahre lang mit ihm und dann noch mit anderen Fotografen gemeinsam an Kalendern gearbeitet – bis ich schließlich selbst komplett hinter dem Produkt stehen wollte. Also habe ich mir eine preiswerte Kamera gekauft und gedacht, ich probiere das einfach mal aus. Frühmorgens bin ich in die Stadt gefahren und habe das Kaffeehaus Riquet im Sonnenaufgang fotografiert und geschaut, ob es schön aussieht. Und dann hat mir das Foto ganz gut gefallen. Also dachte ich, ich schaue mal bei Pixabay, weil man dort Fotos gratis hochladen kann. Zwar bekommt man da kein Geld, aber das war mir erst einmal egal, denn ich wollte zunächst wissen, ob die sagen: Ja, wir nehmen es. Da habe ich einige Fotos hochgeladen – und das vom Riquet haben sie genommen. Und dann entdecke ich plötzlich mein Foto bei einem Preisausschreiben der Sparkasse auf Facebook. Das war die Werbung für den Sparkassenkalender. Dann war es noch in einer Zeitung. Da dachte ich, das kann doch nicht sein, die finden das gut! Da war ich ein bisschen erstaunt. Und dann bin ich zum Wintergartenhochhaus und habe davon Fotos gemacht und habe die auch hochgeladen. Und das haben viele Immobilienfirmen genommen. Und da hatte ich auf einmal nach kurzer Zeit bald tausend Downloads von den Bildern. Auch die LVZ hat letztens eins auf ihrer Seite über Finanzen abgebildet. Dann habe ich angefangen, mir Tutorials zu Fotografie anzusehen. Und dann habe ich das alles ausprobiert, und der Kalender ist wirklich richtig gut geworden und hat tolles Feedback bekommen. Und da habe ich dann immer weitergemacht.

    Du bist also ein Quereinsteiger und hast deine Liebe zur Fotografie wiederentdeckt und hast gedacht, dass du das jetzt ausbauen kannst?

    Ja, genau. So ist es gewesen. Ich muss auch ganz ehrlich sagen, ich würde jetzt keine Fotos machen und die irgendwo auf der Festplatte rumoxidieren lassen, um mir die irgendwann nach drei Wein anzusehen und zu denken: Ich habe ein schönes Leben. Das ist es jetzt nicht, sondern es ist schon der Aspekt, dass ich damit Geld verdiene. Und was auch ganz wichtig ist: Ich kann dadurch mein grafisches Auge schulen und habe so einen ganz anderen Blick. Das passt eben alles zusammen.

    Deine Bilder unterscheiden sich sehr von anderen, vor allem in ihrer Dramatik und der Abwesenheit von Menschen. Wie geht das?

    Ich bin immer sehr, sehr früh unterwegs. Das hat also mehrere Gründe: Wenn ich Menschen auf einem Bild habe, dann ist es für einen Kalender ungünstig. Zweitens habe ich frühmorgens meine Ruhe. Ich kann also mal schnell mit dem Auto überall ranfahren, zum Beispiel auf den Markt. Die Dramatik kommt dadurch zustande, weil ich die Fotos dahingehend bearbeite. Und es ist halt auch so, wie ich es damals in der Werbung gelernt habe: Ich verkaufe keine Wahrheit, ich verkaufe Illusionen. Inzwischen sind meine Bilder aber nicht mehr so sehr dramatisch und wild. Es war einfach so, dass ich persönlich das schön fand. Aber es darf nicht so übertrieben sein.

    Dann hast du jetzt also richtig Spaß am Fotografieren?

    Ja. Und ich habe jetzt auch einen Fotografen, mit dem ich ab und zu gemeinsam fotografieren gehe. Das ist schön, man trifft sich, trinkt zusammen ein Bier und geht ein bisschen raus. Und es ist immer wieder spannend, welches Foto da am Ende rauskommt, wie schön das dann ist. Das macht Spaß, wenn man so ein bisschen unterwegs ist.

    Was, denkst du, schärft deinen fotografischen Blick?

    Die Übung. Ich schaue mir auch immer wieder neue Videos an. Jeden Abend, bevor das Fernsehprogramm losgeht – das könnte man schon fast als Hobby bezeichnen –, schaue ich mir Videos über Fotografie, Gestaltung oder Marketing an. Aber ich mache auch Online-Kurse, letztens zum Beispiel den Kurs zu Affinity Designer 2.

    Du machst oft Bilder aus der Vogelperspektive und wohnst ja auch im Dachgeschoss. Was magst du so an luftiger Höhe?

    Mich interessiert gar nicht die Höhe an sich, sondern: Wir Menschen finden ja immer das schön, was wir nicht kennen und was wir nicht so oft sehen. Wenn wir hier in Leipzig ein Foto von Miami sehen, dann finden wir das schön. Die Menschen in Miami finden das nicht schön, dafür aber wahrscheinlich Bilder von Bergen. Und Ansichten von oben haben wir halt nicht so oft.

    Du fotografierst also von oben, weil du diesen Anblick magst oder weil du denkst, dass andere das schön finden?

    Beides. Also, ich finde das auch interessant, aber die Fotos haben auch eine große Resonanz.

    Auf deinen Bildern komme ich, das Rosental, noch nicht so oft vor. Gibt es aber trotzdem eine Ecke inmitten meiner Flure, die dir gut gefällt?

    Ja, das Zooschaufenster finde ich sehr schön und die große Wiese, von der aus ich den Uniriesen sehen kann. Auch die Brücke zur Tschaikowskistraße und das Mückenschlösschen gefallen mir.

    Und welches Motiv aus meiner Fauna und Flora würdest du gerne einmal ablichten?

    Das ist dieser eine Baum am Zooschaufenster mit dem Uniriesen im Hintergrund. Die Friedenseiche. Das würde ich gerne mal im Winter bei Nebel fotografieren.

    Lieber Dierk, recht herzlichen Dank. Meine letzte Frage lautet: Wo kann man deine Bilder sehen?

    Bei Instagram und facebook bin ich unter gutdesign.de zu finden. Den Kalender gibt es bei Globus, Hugendubel, im Leipzig-Laden Nr. 1 sowie in der Buchhandlung Ludwig im Hauptbahnhof. Und ein neues Seniorenheim in Lindenau hat meine Bilder auf seinen Etagen ausgestellt.


  • Als Parkanlage im nördlichen Auenwald bin ich, das Rosental, Leipzigern und ihren Gästen seit bald tausend Jahren bekannt. Suchen Spazierende mich auf, passieren sie zuvor Straßen, Orte und Gebäude, die an Kunstschaffende vergangener Zeiten wie Tschaikowski, Nietzsche oder Beckmann erinnern. Doch wie sieht es mit zeitgenössischen Kreativen aus, die sich hier in meiner Nähe angesiedelt haben und mit ihren Kunstwerken das großstädtische Leben prägen?

    Liebe Marion, wir kennen uns schon viele Jahre. Ich kann mich gut an deine interkulturellen Feste mit Kindern aus der VILLA auf meinem Spielplatz erinnern. Später bist du in meine Nachbarschaft gezogen, hast die klassischen Open-Airs auf meiner Wiese besucht und meine Giraffen zu deinem Krafttier für Wertschätzende Kommunikation ernannt. Doch seit ein paar Jahren erlebe ich dich vor allem mit feinem Stift und Skizzenbuch. Du bist jetzt eine erfolgreiche Urban-Sketcherin, malst mit Größen aus der Szene und dem talentierten Nachwuchs. Doch sag, was führte dich zur Malerei?

    Gute Frage. Ja, es waren drei gute Dinge, die mich auf einmal wieder zum Zeichnen und Malen gebracht haben. Ich hatte schon längere Zeit einen inneren Plan, dass mehr Kunst in mein Leben kommen soll. Zu meinem inneren Plan kam unerwartet Zeit, die meine Muse, meine Freude am absichtsfreien Zeichnen und Malen wachrief. Und ich habe viele malende Freundinnen und Freunde. Mit diesen drei Dingen begann es. Alles andere entstand, weil ich seit drei Jahren nicht mehr aufhöre zu zeichnen und zu malen.

    Deine Skizzenbücher füllen hauptsächlich farbige Zeichnungen. Wenn du kolorierst, was ist deine liebste Technik und warum?

    Ich hielt mich bisher eher für einen grafisch sehenden Menschen, insofern koloriere ich eher meine Zeichnungen, als dass ich mit Farbe male. Daher ist mein Lieblings-Malstift der Füller, überraschenderweise hat der auch gar nichts mehr von einem Schulfüller, sondern lässt sich mit wasserlöslicher Tinte wunderbar wie in der Aquarellmalerei einsetzen. Dabei entstehen grafische und doch farblich oft monochrome Bilder oder Zeichnungen mit höchstens eins, zwei Farben. Das liebe ich sehr. Dabei lernte ich Aquarell besser kennen und nutze mittlerweile auch Pinsel und Aquarellkasten.

    Du malst sehr oft Häuser des Waldstraßenviertels. Was gefällt dir besonders an dieser Architektur?

    Das Waldstraßenviertel mit dem Rosental ist jetzt seit fünf Jahren mein Kiez, in dem ich lebe, und war über zwanzig Jahre mein vertrauter Ort durch viele schöne Projekte mit Kindern und Jugendlichen, die ich als Jugendsozialarbeiterin initiieren konnte. Die Architektur habe ich dabei seit den Wendejahren sich verwandeln sehen. Viele verfallene und wenig gepflegte Häuser konnten wieder zu vollem Glanz restauriert werden. Ich mag die Erker an den Häusern, die wunderbaren hohen Türen mit zahlreichen Verzierungen, die Putzquadrierungen, und ich liebe die Eckgebäude sehr. Die Häuser haben ihre Gesichter und sprechen zu mir.

    Zurück zu mir und damit zur Natur: Inwiefern fühlst du deine Kunst durch mich inspiriert?

    Ja du hast einen wunderbaren inspirierenden Namen: Das Rosental verspricht schon mit seinem Namen, ein zauberhafter Ort zu sein. Ich mag deine weiten Wiesen. Nichts verstellt meinen Blick, und so gehe ich gern auf alles zu, was ich zeichnen oder malen möchte.

    Wenn du einen Lieblingsplatz inmitten meiner Fauna und Flora benennen solltest, wo würde er liegen?

    Ich habe wohl einige Lieblingsplätze: Ich mag die Bänke im Rosental, die zum Verweilen einladen, zum Beispiel am Zooschaufenster mit dem Tierkino. Ich mag den vom Blitz getroffenen Baum am See. Und ich mag den wuseligen Wald mit so viel Unterholz: ein schönes Versteck und Zuhause für viele kleine Tiere.

    Und wie sieht eine fiktive Rosentalszene aus, die du gerne einmal zeichnen würdest?

    Ich liebe den Blick über die gesamte Wiese bis hin zur Stadtsilhouette in der Ferne. Der weite Blick wird gekreuzt von großen einzeln stehenden Bäumen und Kindern, die Radfahren lernen, und Eltern, die ihnen hinterherrennen, von Freundeskreisen, die picknicken und einzelnen Menschen mit ihren Hunden.

    Nun sind wir auch schon am Ende angelangt. Zu guter Letzt also: Wo können Interessierte deine Kunst bestaunen?

    Instagram: sketchwalk_leipzig

    Liebe Marion, hab vielen Dank!